Sehsucht Dresden

Grit Moch in der Sächsischen Zeitung
 
Künstler gießen bronzenen Barockrahmen für größtes Bild der Stadt
 
Sehsucht. Jeder ist von ihr befallen“, ist sich Jens Herrmann sicher. „egal wo wir auch sind, wir kraxeln auf Aussichtstürme, nur um zu stehen und zu sehen. Bekannte Häuserschluchten oder unbekannte Perspektiven.“ Auch auf dem 42 Meter hohen Striesener Ernemannbau war das beim Turmfest am Wochenende kaum anders. De Dresdner standen, sahen, aber diesmal schrieben sie auch. Auf kleine Blättchen notierten sie, was für sie in Dresden bedeutsam ist. Es dauerte keine Stunde, da war der Handlauf der Aussichtsplattform beklebt. Mit Dutzenden Hinweisen. Von A wie Ardenne-Institut bis Z wie Zahnarzt. Dazwischen tummelte sich ein buntes Sammelsurium : Trümmerberg und Dreikönigskirche, WTC New York und Brauerei Radeberg, „mein Mensch ärgere dich nicht“- Spiel und „Hier möchte ich mal wohnen“-Pfeil. –Jeder hat sein eigenes Bild von der Stadt. Kaum fassbar eigentlich, und doch wollen Künstler es fassen. In einem 33 Meter langen, ovalen Bronzerahmen. Er soll den Handlauf der Plattform künftig bedecken und so das Stadtbild symbolisch rahmen. In ihm eingelassen werden die Namen noch auszuwählender Dresdner Motive. Vielleicht von A wie Ardenne-Institut bis Z wie Zahnarzt. Das projekt finanzierten und initiierten das städtische Kulturamt und der Hausherr, die Technischen Sammlungen. Die Idee lieferten die Akteure des diesjährigen Metallguss-Symposiums: Ines Knackstedt, Wolfram Höhne, Christian Korth, Arend Zwicker und Andreas Paeslack sowie Koordinator Jens Herrmann.
„Wir suchten nach einem typischenRahmen und wurden bei Harald Marx, Chef der Galerie Alte Meister fündig“, berichtet Arend Zwicker. Marx weihte die Künstlergemeinde in die Geheimnisse der sogenannten „Dresdner Leiste“ ein. Nach ihrem Vorbild fertigten die Bildhauer Mitte des 18. Jahrhunderts sämtliche Galerie-Rahmen. Nach ihrem Vorbild soll nun auch der größte Barockrahmen das größte Dresden-Bild fassen. Die Auswahl des Zeitrahmens erfolgte dabei nicht ohne den ironischen Blick auf die barocke Ausrichtung gegenwärtiger Kulturpolitik“, sagt Zwicker. Mitte Dezember wird der Rahmen in der Bildgusswerkstatt Gebrüder Ihle in Rabenau gegossen. Im nächsten Frühjahr wollen ihn die Künstler dann montieren. Doch damit nicht genug. Unter dem Motto „Dresden sehen“ werden Dresdner aufgerufen, ihre Bilder der Stadt per Kamera festzuhalten. Die Fotos sollen in einer parallelen Schau in den Turmräumen des Ernemannturmes zu sehen sein. Wer seinen Blick beisteuern will, kann ein Foto in der Größe bis 10 mal 15 Zentimeter an die Technischen Sammlungen, Junghansstraße 1-3, 01277 Dresden schicken. Einsendeschluss ist der 31. Dezember.